Taylor-Polynome

Wozu das ganze? Was macht man damit?

Es gibt Funktionen, die sind kompliziert und unschön zu handhaben. Polynome hingegen sind schön, wohlbekannt und gut zum Rechnen. Mit einer Taylor-Entwicklung können wir eine Funktion f an einer Stelle p durch ein Polynom (Taylor-Polynom) beschreiben welches dann sehr ähnlich wie f ist. In einem kleinen Umkreis um p können wir dann Aussagen über f durch Aussagen über das Taylor-Polynom ersetzen. Mit Polynomen können wir halt gut rechnen und zum Beispiel leicht herausfinden, welche Werte ein Polynom in einem gewissen Intervall annimmt. Diese Aussagen können wir dann grob auf f übertragen und somit interessante Erkenntnisse über f selbst bekommen. Jedoch immer nur in einer kleinen Umgebung von p. Wie klein, das hängt vom Grad der Taylorentwicklung ab (und macht man auch ein bisschen Pi mal Daumen).

Wie wird das ganz grob gemacht?

Gegeben sei eine Funktion f und ein Punkt p, die so genannte Entwicklungsstelle. Des Weiteren brauchen wir den Grad n, welches unser Taylor-Polynom T später haben soll. Je höher der Grad, desto genauer wird unser Polynom unsere Funktion f annähern.

T wird dann dadurch bestimmt, dass im Punkt p sowohl der Funktionswert als auch die ersten n Ableitungen in T und f gleich sind, also folgendes Gleichungssystem aufgeht:

$$ \begin{align*} f(p) &= T(p) \\ f'(p) &= T'(p) \\ f^{\prime\prime}(p) &= T^{\prime\prime}(p) \\ &\cdots \\ f^{(n-1)}(p) &= T^{(n-1)}(p)\\ f^{(n)}(p) &= T^{(n)}(p) \end{align*} $$

Wir werden dies jetzt anhand eines Beispiels durchrechnen. Später gibt es dann aber eine allgemeine Formel, aus der man T berechnen kann.

Herleiten eines Taylorpolynoms anhand eines Beispiels

Schauen wir einfach mal an, wie das Taylorpolynom einer bestimmten Funktion lautet. Bitte beachtet, dass niemand das Taylorpolynom auf diese Weise berechnen würde, sondern nur mit der Formel im späteren Abschnitt. Das Beispiel soll aber das Grundkonzept von Taylorpolynomen zeigen.

Gegeben sei uns die Funktion

$$ f(x) =  e^{2x} + 1 $$

und wir wollen das Taylorpolynom 2. Grades von f an der Stelle p=1 berechnen. Es müssen also Funktionswert, erste und zweite Ableitung des Taylorpolynoms im Punkt p=1 mit denjeningen von f übereinstimmen. Die nötigen Gleichungen sind also

$$ \begin{align*} f(1) &= T(1) \\ f'(1) &= T'(1) \\ f^{\prime\prime}(1) &= T^{\prime\prime}(1) \end{align*} $$

Wir brauchen offensichtlich die ersten beiden Ableitungen von f und diese lauten:

$$ \begin{align*} f'(x) &= 2e^{2x} \\ f^{\prime\prime}(x) &= 4e^{2x} \end{align*} $$

Da wir schon wissen, dass unser T vom Grad 2 sein soll, hat es folgende Form:

$$ T(x) = a_2x^2 + a_1x + a_0 $$

und damit natürlich die Ableitungen

$$ \begin{align*} T'(x) &= 2a_2x + a_1 \\ T^{\prime\prime}(x) &= 2a_2 \end{align*} $$

Unser Gleichungssystem wird also, wenn wir alles einsetzen, zu:

$$ \begin{align*} e^2 + 1 &= 2a_2 + 2a_1 + a_0 \\ 2e^2 &= 2a_2 + a_1 \\ 4e^2 &= 2a_2 \end{align*} $$

Lösen wir dieses System, erhalten wir die Werte der Koeffizienten des Taylorpolynoms und sind damit auch schon fertig! $ a_2 = 2e^2 $ folgt direkt aus der dritten Gleichung, welches wir in die zweite einsetzen, um $ a_1 = -2e^2 $ zu erhalten und schließlich aus der ersten Gleichung $ a_0 = $ zu bekommen.

Unser Taylor-Polynom lautet also:

$$ T(x) = 2e^2x^2 – 2e^2x + e^2 + 1 $$

Folgende Graphik zeigt die Funktion f und ihr Taylor-Polynom T. Wie wir sehen, nähert das Taylor-Polynom die Funktion im Bereich [0,5 ; 1,5] sehr gut an.

taylor2

Die allgemeine Formel

Wie erwähnt, würde niemand mehr ein Gleichungssystem wir oben aufstellen, um das Taylor-Polynom zu berechnen. Denn es gibt eine Formel, die einem das Taylor-Polynom direkt ausspuckt. Und diese Formel für das Taylor-Polynom für f mit Grad n und Entwicklungsstelle p:

$$ \begin{align*} T_{f,p}^n(x) &= \sum_{k=0}^n \frac{f^{(k)}(p)}{k!}(x-p)^k \\ &= \frac{f^{(n)}(p)}{n!}(x-p)^n + \frac{f^{(n-1)}(p)}{(n-1)!}(x-p)^{(n-1)} + \cdots + \frac{f^{(2)}(p)}{2}(x-p)^2 + f'(p)(x-p) + f(p) \end{align*} $$

wobei $ f^{(n)} $ die n-te Ableitung bezeichnet und $ f^{(0)} = f $ ist. Außerdem nicht vergessen, dass $0! =1 $ gilt, was beim letzten Summanden eingeht.

Bestimmen des Taylor-Polynoms anhand der Formel: Vorgehensweise

Wir wollen nun die Formel benutzen, um das Taylor-Polynom zu berechnen. Der Grad sei wieder $ n=2 $ und $ p=1 $.

Schritt 1: Ableitungen bestimmen

Da wir das Taylor-Polynom vom Grad 2 bestimmen wollen, brauchen wir die ersten beiden Ableitungen, diese sind wir oben:

$$ \begin{align*} f'(x) &= 2e^{2x} \\ f^{\prime\prime}(x) &= 4e^{2x} \end{align*} $$

Schritt 2: Entwicklungsstelle in f und die Ableitungen einsetzen

Für die Formel brauchen wir die Werte von f und den Ableitungen an der Stelle p. Daher setzen wir p ein:

$$ \begin{align*} f(p) &= f(1) = e^{2}+1 \\ f'(p) &= f'(1) = 2e^{2} \\ f^{\prime\prime}(p) &= f^{\prime\prime}(1) = 4e^{2} \end{align*} $$

Schritt 3: Einsetzen in die Formel

Indem wir einsetzen und alles auflösen bekommen wir:

$$ \begin{align*} T(x) &= \frac{ f^{\prime\prime}(1)}{2!}(x-p)^2 + f'(1)(x-p) + f(p) \\ &= \frac{4e^2}{2}(x-1)^2 + 2e^2(x-1) + e^2 + 1 \\ &= 2e^2(x^2 -2x + 1) + 2e^2x – 2e^2 + e^2 +1 \\ &= 2e^2x^2 – 4e^22x + 2e^2 + 2e^2x – 2e^2 + e^2 +1 \\ &= 2e^2x^2 -2e^2x + e^2 +1 \end{align*} $$

Also genau das was wir vorher hergeleitet hatten!

Höhere Genauigkeit bei höherem Grad n

Vorhin habe ich erwähnt, dass sich das Taylor-Polynom immer besser an f annähert, wenn sein Grad immer höher wird. Klar, denn dann stimmen immer mehr Ableitungen von T mit denen von f überein und die Krümmung von T wird immer mehr wie die von f. Als kleines Beispiel hierfür habe ich das Taylorpolynom von f mit Grad n=5 berechnet und zeichnen lassen. Wir sehen, dass die Annäherung schon viel besser ist als bei n=2:

taylor2und5

Weitere Beispiele

Das Taylorpolynom eines Polynoms

Quizfrage: Was ist das Taylor-Polynom zweiten Grades der Funktion $ f(x) = x^2 $ an der Stelle p = 3? Mal kurz überlegen, bevor ihr es ausrechnet!

Wir gehen wieder die drei Schritte durch:

Ableitungen

$$ \begin{align*} f'(x) &= 2x \\ f^{\prime\prime}(x) &=2 \end{align*} $$

Entwicklungsstelle p in f und Ableitungen einsetzen

$$ \begin{align*} f(3) &= 9 \\ f'(3) &= 6 \\ f^{\prime\prime}(3) &=2 \end{align*} $$

Einsetzen in die Formel

$$ \begin{align*} T(x) &= \frac{2}{2!}(x-3)^2 + 6(x-3) + 9 \\ &= x^2 – 6x + 9 + 6x – 18 + 9 \\ &= x^2\end{align*} $$

Das Ergebnis ist also wieder die Funktion selbst! Das wäre natürlich auch mit jeder anderen Entwicklungsstelle passiert. Schließlich soll das Taylor-Polynom eine Funktion f durch ein Polynom annähern. Wenn dieses f bereits ein Polynom ist, muss natürlich nichts mehr angenähert werden, und das Taylor-Polynom ist gleich der Funktion. Vorausgesetzt natürlich, der Grad von T entspricht dem Grad von f oder ist höher!

Was passiert, wenn wir das gleiche Spiel mit einem höheren Grad machen, z.B. n=4? Das Ergebnis bleibt dasselbe, denn:

$$ \begin{align*} f^{(3)}(x) &= 0 \\ f^{(4)}(x) &=0 \end{align*} $$

Alle weiteren Ableitungen sind Null, die weiteren Summanden der Taylor-Formel fallen also weg.

Wenn der Grad kleiner ist, also n=1, dann kommt natürlich nicht $x^2$ heraus, denn das Taylor-Polynom kann keinen quadratischen Term enthalten. In diesem Fall wäre das Taylor-Polynom $T(x) = 6x – 18 + 9 $.

One thought on “Taylor-Polynome

  1. Top Erklärt! Vor allem cool das du es auch mal mit einem polynom gemacht hast, das hat das ganze noch verständlicher gemacht, dass das Taylor polynom eines polynom wieder dasselbe polynom ist!

    Viele Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert